Gerd Neumann/Gen 82 erinnert sich:

Nun, da ich kein einziges Exemplar der 'Sounds‘ mehr besitze, muss ich den Erinnerungen Raum einräumen und hoffen, dass die folgenden Darstellungen so in etwa dem Vergangenen entsprechen. In ca. 1979 hatte ein gewisser J. Stender (später bei der Band 'P.D‘ und Gründer des 'Wahrnehmungen'-Kassettenlabels) die 'punk‘, 'new wave‘ Euphorie auch zu uns nach Mainz gebracht: ich spielte nun Bass in einer sog. 'Neue deutsche Welle‘ Band (nämlich 'Messehalle‘), las regelmässig das 'Zentralorgan‘ der neuen Musik der kommenden 80er Jahre (nämlich die deutsche 'Sounds‘). Besonders die Kolumne von A. Hilsberg ('Neuestes Deutschland‘) war hier wichtig, da sie einen wohltuenden Gegenpol zu den sonstigen Nachrichten aus Rock- und Popindustrie ('Bravo‘, Musik Express) in Deutschland bildete und damit genug subversiv erschien (wir mochten den ganzen Hippie- und Kraut/Jazz/Pop/Disco/BombastRock zu jener Zeit überhaupt nicht mehr hören geschweige denn darüber lesen). Doch 1982 gab A. Hilsberg diese Kolumne auf, Xao Seffcheque übernahm, dann kam D. Diederichsen. Und jener schrieb dann irgendwann (sinngemäss), dass er keine Lust mehr habe, den Autisten bzw. ihren eingeschickten Kassetten zuzuhören. Also nahm ich Kontakt zur 'Sounds‘ Redaktion auf (Zeit war ja vorhanden, ich arbeitslos – Interesse sowieso, da wir, aus politischen Gründen, dem Medium 'Kassette‘ den Vorzug gegenüber anderen Tonträgern, z.b. (Schall)platten, gaben. Ja, ich hatte mit einigen Freunden zwischenzeitlich ein eigenes 'Kassettenlabel‘ gegründet (‘Neuer Frühling‘) und überraschenderweise meldete sich DD dann auch telefonisch bei mir und wir vereinbarten eine Zusammenarbeit. Tags darauf bekam ich ein grosses Paket Hamburg mit den dort eingegangenen Kassetten. Ja, ich hörte mir jede an, versuchte Wichtiges, Interessantes, Aufregendes, Packendes zu entdecken. Schrieb meine Rezensionen mit der Schreibmaschine, meist ein DIN A 4 Blatt voll und schickte dann den Brief nach Hamburg. Und ein paar Tage später gab‘s dann auch eine 'kleine‘ Überweisung als Honorar. Und wenn (zuviel) 'ungeniessbares‘ Klangmaterial dabei war, nahm ich in meine Besprechung auch sog. 'bootlegs‘ (also z.b. illegal mitgeschnittene live-Konzerte, meist bekannter Bands) auf. Diese Passagen wurden jedoch immer in der Redaktion gestrichen (vermute mal, aus juristischen Überlegungen). Die damalige Initiative der Plattenindustrie 'home-taping is killing music‘ war natürlich gezielt um ihre Verluste (bei ihren 'live-recordings‘ Veröffentlichungen) zu minimieren und (generell) Gewinne (durch Verkäufe des Vinyls) zu maximieren. Zu kurz gedacht, wurde doch gerade die 'Kassette‘ für das neue Hören mit 'Walkman‘ gebraucht ... Für uns eröffnete jedoch das Medium 'Kassette‘ eine Möglichkeit, andere, eigene Musik zu produzieren und zu konsumieren, und zwar ohne am Gängelband eines Unterhaltungssystems zu hängen, das Bands ständig mit (oft falschen) Versprechungen köderte und sie bei Erfolgslosigkeit 'feuerte‘. Als die 'Sounds‘ ihre Druckausgabe einstellte kam dann endlich die Zeit der 'Neue deutsche Welle‘ wie sie uns heutzutage dann medial präsentiert wird: extrabreit.

Gerd Neumann (aka 'Sea Wanton‘) 20181029