Mittagspause: „Herrenreiter“

M.K.: „Schwarz der Himmel unserer Zukunft, Rot die Erde der Vergangenheit, Gold die Zähne unserer Väter. So kompakt hat noch niemand das Deutschlandbild ausgedrückt wie Peter Hein. Und das noch gesungen. Zu toller Musik, die einen packt und nicht loslässt.“

SOUNDS-Redakteur Michael Kröher zitiert den NDW-Klassiker „Herrenreiter“ von Mittagspause, der Vorläuferband von Fehlfarben. Mittagspause, SYPH, DAF und Der Plan gehörten zu den ersten deutschen Bands, die bei SOUNDS nach jahrelanger Nichtbeachtung der deutschen Musikszene große Euphorie auslösten. Alfred Hilsberg berichtete in SOUNDS ab 1980 monatlich von den aktuellen Entwicklungen in der deutschen New Wave-Szene“ - in der Rubrik „Neuestes Deutschland“.

A.H.: „Das war die Sisyphosarbeit, die ich mir da aufgehalst hatte, die täglichen Berge an Informationen, an Platten, Kassetten usw. zu sichten, Anrufe entgegen zu nehmen, Leute anzurufen, Querverbindungen herzustellen, Adressen zu sammeln, da zu veröffentlichen. Das war eigentlich ne Plattform aus der Szene für die Szene. Das hat auch sehr große kommunikative Beiträge ausgelöst, glaube ich. Es war ein Anstoß, wie es ihn hierzulande nirgendwo gab. Das hat schon, denke ich, dazu beigetragen, dass sich Leute ermutigt fühlten, selber aktiv zu werden.“

Ende 1979 hatte Alfred Hilsberg die Plattenfirma Zickzack gegründet, eines der ersten deutschen New Wave-Labels. Manchmal schrieb er in SOUNDS auch über seine eigenen Künstler vom Zickzack-Label. Die Verquickung von Labelinteressen und journalistischer Tätigkeit führte letztendlich zum Zerwürfnis: Als SOUNDS 1983 eingestellt wurde, gehörte Hilsberg nicht mehr zu dessen Autoren.

Fehlfarben: „Ein Jahr (Es geht voran)“

SOUNDS wurde zum zentralen Sprachrohr der frühen, nichtkommerziellen Neuen Deutschen Welle. Viele Schreiber bei SOUNDS waren damals selbst Musiker, wie zum Beispiel Michael Ruff aus Hamburg oder Xao Seffcheque aus Düsseldorf. Seffcheque war Teil eines Schreiber-Kollektivs, das unter dem programmatischen Pseudonym ORAV, „ohne Rücksicht auf Verluste“, in SOUNDS eine große Rolle spielte. Der Begriff „Neue Deutsche Welle“ ist übrigens eine SOUNDS-Erfindung und tauchte erstmals im Oktober 1979 als Überschrift einer dreiteiligen Artikelserie auf, die Alfred Hilsberg und Hans Keller verfasst hatten. Unter der Überschrift „Neue deutsche Welle. Aus grauer Städte Mauern“ wurden deutsche Bands wie Der Plan, Mittagspause und Die Geisterfahrer vorgestellt. SOUNDS-Redakteur Michael Kröher und Alfred Hilsberg über die Entstehung des Begriffes Neue Deutsche Welle:

M.K.: „Das muss in einer besoffenen Nacht in der Marktstube passiert sein. Also, Sie müssen sich das so vorstellen, in der Hamburger Kneipe Marktstube standen eigentlich jede Nacht Diedrich Diederichsen, Alfred Hilsberg und die als jungen Wilden bekannte Maler Albert Oehlen, Markus Oehlen. Die standen da rum und debattierten. Diedrich trank Bier, Alfred trank fürchterliche Cocktails, die die Namen hatten Blubberlutsch und Wayne Countys letzte Sauerei und davon trank er immens und vertrug unglaublich viel. Und da sich beide, Diedrich und Alfred, sehr gut in Filmgeschichte auskannten und über Nouvelle Vague diskutiert haben, Neue Welle, muss irgendeiner bei diesen betrunkenen Diskussionen auf den Begriff Neue Deutsche Welle gekommen sein.“

A.H.: „Der Begriff Neue Deutsche Welle, wer den damals eigentlich erfunden hat, der ist dort sicherlich zum ersten Mal öffentlich verwendet worden, dass weiß ich jetzt nicht mehr zu sagen, ob ich es war, der das in den Mund genommen habe oder geschrieben habe oder ob das einer aus der Redaktion war. Ich glaube mich erinnern zu können, dass ich mich gegen die Verwendung des Begriffes letztendlich versucht habe zu wehren, weil ich sagte, Neue Deutsche Welle klingt so, als ob es wie allen Wellen wieder vergeht. Und das möchte ich gar nicht. Das war schon in Voraussicht dessen, was uns hinwegspülen sollte. Aber gut, der Begriff hat sich etabliert und wurde von anderen eben kommerziell genutzt.“

The Clash: “London Calling”