Hannes Solbach war von September 1973 - August 1975 zusammen mit Jürgen Legath Herausgeber der SOUNDS, die sie von Max Amersberger gekauft hatten. Damit fällt die 'Amtszeit' von Hannes Solbach in die Zeit, in der sich die SOUNDS nach dem Umzug von Köln nach Hamburg nun eigenverantwortlich neu positionieren mußte. Um so interessanter, hier nun eine Stimme aus dem Hintergrund zu hören.
Es war übrigens Hannes Solbach, der Jörg Gülden seinerzeit bei der SOUNDS eingestellt hat.
Wann und wie sind Sie zu SOUNDS gekommen?
Ich war 1973 dabei, mit Klaus Heidorn, dem späteren Besitzer und Chefredakteur der SZENE Hamburg, den Start dieses „ganz anderen“ Stadtmagazins vorzubereiten. Als Abonnent von Sounds hatte ich den Umzug der Redaktion nach Hamburg mitbekommen und habe einfach angerufen und gefragt, ob wir mal vorbeikommen dürften. Jürgen Legath hat uns empfangen und wir haben hauptsächlich über die technischen Bedingungen beim Zeitschriften machen gesprochen. Bei diesem Besuch habe ich leichtsinnigerweise auch angeboten, bei Schwierigkeiten gleich jeder Art zu helfen und auch finanzielle Optionen angedeutet. Monate später rief Jürgen Legath an und fragte, ob wir nicht zusammen Sounds kaufen könnten.
Was haben Sie vorher gemacht?
Ich war Texter bei einer größeren Werbeagentur in Hamburg und habe Werbung für Ernte 23, Vernell, Underberg etc. gemacht. Nebenbei war ich Redakteur eines monatlichen Newsletters für Werber und Fotografen namens RedBoxPost. Und schon als Jugendlicher in Nord-Rhein-Westfalen habe ich mit ERGO die einzige Schülerzeitung des Landes ohne Schule dahinter betrieben.
Im Frühjahr1973 wird Max Amersberger Verleger der SOUNDS, die er wohl von Jonas Porst gekauft hat. Im September gehen die Verlagsgeschäfte an die Redaktion über und Sie und Jürgen Legath sind neue Verleger. Können Sie Hintergründe dieser ‘Transaktionen’ erläutern.
Amersberger hat, das glaube ich heute, Dumme gesucht und Legath und mich gefunden. Denn wir haben von ihm nicht den Titel „Sounds“ gekauft, sondern die komplette Firma mit allen Verpflichtungen und Ansprüchen. Schon der relativ geringe Kaufpreis, den wir leicht durch z.B. Überziehungskredite zusammen gebracht haben, hätte uns warnen können, dass hier etwas nicht stimmt. Sounds war zu billig. Ich war damals 25 Jahre alt, wenig misstrauisch und geblendet von der Chance, Besitzer einer so renommierten Zeitschrift wie Sounds zu werden. Erst als Amersberger mit seiner Motoryacht Richtung Mittelmeer verschwunden war, haben wir gemerkt, was wir uns tatsächlich eingehandelt haben. Einen Riesenberg Schulden. Zu viel gezahlte Vertriebsvorauszahlungen. Man ging einfach davon aus, z.B. die Hälfte der Druckauflage zu verkaufen, zahlte die Summe aus und rechnete erst ein halbes Jahr später über tatsächlich verkaufte Auflage von z.B. ganz überraschend nur einem Viertel ab. Die genaue Höhe der so entstandenen Schulden habe ich nicht mehr im Kopf. Ich meine, es ging um rund 100.000 DM., das entspricht 150.000 bis 160.000 Euro heute. Der eigentliche Kaufpreis war also für Amersberger nur ein Bonus. Der viel größere Gewinn aus dieser Transaktion waren die Vertriebsvorauszahlungen, die ganz legal entnommen wurden und verdunstet waren.
Der damalige Vertrieb, eine Beteiligung des Bravo-Verlages Bauer, wollte nicht nur ihr Geld zurück, sondern passte auch die monatlichen Vorauszahlungen den tatsächlich erzielten Vertriebserlösen an. Wir waren also gleich zu Anfang doppelt in der Klemme. Überraschende Schulden und dazu stark reduzierte Einnahmen.
In ‘Ihre’ Zeit fällt ja die Professionalisierung der SOUNDS und die Weiterentwicklung von einem reinen Musikblatt hin zu einem Magazin, daß zusätzlich Bereiche wie Film, Literatur, Technik und Reisen aufgreift. Waren Sie an dieser Konzeption beteiligt? Wer war treibende Kraft, herrschte Einigkeit? Konnte die Auflage damit gesteigert werden?
Ich habe mich aus der Redaktion komplett herausgehalten und bis auf wenige Beiträge
redaktionell nicht viel beigetragen. Die treibende Kraft der Weiterentwicklung waren sicher Jürgen Legath und später Jörg Gülden. Meine Meinung durfte ich aber schon vortragen und Vorschläge machen.
Wie war die Zusammenarbeit mit Legath und Gülden (für den Leser waren das ja die Hauptprotagonisten, gab es weitere wichtige Funktionen, bzw. Mitarbeiter im Hintergrund?
Als ich bei Sounds anfing, gab es es noch einen angestellten Grafiker namens Becker, der aber bald danach nach Köln zurückging und sich als Grafiker/Fotograf für TV-Sender und TV-Sendungen spezialisierte. Sein Job als Art Director wurde nahtlos und kostensparend von Jürgen Legath übernommen. Die Redaktion war eine Welt für sich, es gab wunderbare Berichte aus der Welt der Stars nach dem Motto „Als Bob Marley zu mir sagte, hast Du mal Feuer, Bruder“. Es gab viel Besuch von schlauen Leuten wie Helmut Salzinger oder berühmten Leuten wie Udo Lindenberg oder Marius Müller-Westernhagen.
Aber das alles wäre nicht möglich gewesen ohne Werner Pannes, der uns Anzeigen besorgte. Und Claus Grötzschel, den ich als Buchhalter in die Firma holte und der mich als Geschäftsführer und Gesellschafter ablöste, mich aber auch von dem Schuldenberg befreite.
Die Auflage der SOUNDS war ja nicht riesengroß. Gab es weitere Projekte der einzelnen Mitarbeiter, oder reichte das ‘SOUNDS’ Gehalt zum Leben?
Jürgen Legath und Jörg Gülden waren zu meiner Zeit die einzigen mit einem festen Gehalt. Sicher nicht üppig, aber wohl ausreichend. Musik-Journalisten wurden aber damals von den Plattenfirmen sehr großzügig mit Platten versorgt, man konnte, wenn man relativ relevant war, fast beliebig bestellen – und sein bescheidenes Einkommen durch Verkäufe in Secondhand-Plattenläden aufbessern. Ein weitere Einkommensquelle waren PR-Texte und natürlich Plattencover- und Booklet-Texte als Auftragsarbeit. Ich erinnere mich z.B. an einen prachtvollen Elvis-Sampler mit Texten von Jörg Gülden. Aber leben von der Musikkritik? Doch wohl sehr karg.
Gibt es ein Interview/Konzert/Platte von damals, die Ihnen aus Ihrer Sounds-Zeit besonders in Erinnerung geblieben ist?
Von den vielen Konzerten, die ich meiner kurzen Zeit bei Sounds und dank Freikarten von Sounds erlebt habe, sind mir merkwürdigerweise zwei ganz unterschiedliche Bands besonders in Erinnerung: die Auftritte von Cockney Rebel und Status Quo in der Musik-Halle.
Wie würden Sie Ihre Zeit bei SOUNDS rückblickend charakterisieren? Was haben Sie mitgenommen?
Ich habe gelernt, dass Zeitschriften zu machen teuer werden kann und dass man besser auch alle negativen Möglichkeiten durchspielt, bevor man wichtige Entscheidungen trifft.
Woran erinnern Sie sich am intensivsten, wenn Sie an die SOUNDS-Zeit zurückdenken?
An unseren Versuch, Max Amersberger auf seiner Yacht noch zu schnappen. An das üppige Essen in einem Wiesbadener Feinschmecker-Restaurant auf Einladung unseres Vertriebs, der Verlags-Union. Als Henkersmahlzeit für Sounds gedacht - aber es kam dann doch ganz anders. An den freundlichen Gerichstvollzieher, der mir klar machte, wie wichtig es ist, pünktlich die Sozialabgaben für Angestellte zu überweisen. Oder an meinen Schrecken, als Jonas Überohr/Helmut Salzinger bei einem Gespräch in der Redaktion plötzlich eine Spritze aus der Tasche zog und sich ein Schuss setzte. Dachte ich jedenfalls, weil ich der einzige im Raum war, der nicht von Salzingers Diabetes wusste.
Warum sind Sie bei SOUNDS ausgeschieden und gab es eventuell danach noch berufliche Berührungspunkte mit der SOUNDS?
Der Sounds-Bauernhof brauchte und ernährte keine zwei Bauern. Weil Claus Grötzschel der bessere Geschäftsführer mit den Kontakten zu den Investoren war, gab es auch keine großen Diskussionen. Ich bin zu fairen Bedingungen ausgeschieden, ohne große Verluste und mit einem Riesengewinn an Erfahrung. Und dann haben wir ja noch gemeinsam den Sounds Buchverlag betrieben. Mit immerhin drei Publikationen: dem Police-Songbook, einem New-York-Reiseführer und einem Ratgeber „Mit dem VW-Bus durch Süd-Amerika.“ Noch 1978 habe ich für Sounds einen Abo-Flyer getextet.
Was haben Sie nach Ihrer Zeit bei SOUNDS gemacht?
Ich habe für Szene Hamburg geschrieben, bis 1985 als Werbetexter gearbeitet und war dann knapp 30 Jahre Geschäftsführer und Gesellschafter einer Werbeagentur in Hamburg.
Gibt es noch Kontakt zu ehemaligen Kollegen? Jürgen Legath soll ja z.B. ein Restaurant in Hamburg betrieben haben, gibt es ähnlich ‘Karrieren’?
In Jürgen Legaths Restaurant D.O.C. im Hamburger Portugiesen-Viertel habe ich Geburtstag gefeiert. Lange her und was das Restaurant angeht, lange vorbei. Mit Teja Schwaner habe ich für die Übersetzung eines Werbefachbuches zusammengearbeitet. Ansonsten: kein Kontakt, leider.
Welche Rolle spielt Musik heute in Ihrem Leben?
Ich versuche, offen für aktuelle Musik zu sein und das nicht ständig mitMusik aus den sechziger und siebziger Jahren zu vergleichen. Das wird einem allerdings nicht leicht gemacht. Ansonsten höre ich gern Internet-Radio und wechsle die Stationen nach Stimmung.