D.D.: „Es war ja nicht einfach so, dass ein neuer Redakteur gesucht wurde, der einen alten ersetzen sollte, sondern es war so, dass sich die gesamte Redaktion verjüngen wollte, so dass die damals agierenden Redakteure Legath, Schwaner und Gülden und Assistent Hans-Willi Andresen gingen. Die hatten die Altersgrenze erreicht, meinten sie, und würden mit der neuen Musik nicht so zurechtkommen. Wir sollten ja auch, das war Bedingung nicht über 25 (...) Ich war, glaube ich, 22, Kröher war 24, Buttler 23. Wir mussten sofort das Heft machen quasi, also innerhalb kürzester Zeit.“
Diedrich Diederichsen hatte vor seiner Einstellung bei SOUNDS das Magazin gar nicht mehr gelesen. Diederichsen hatte vor allem die Zeitschrift Filmkritik studiert, die popkulturelle Themen in einen weit größeren Zusammenhang stellte, als es SOUNDS zu jener Zeit machte. Sein Eintritt in die Redaktion bedeutete eine radikale Zäsur. SOUNDS-Autor Andreas Banaski:
D.D.: „Und dann und das müsste Diedrich auch schon gesagt haben, hat das natürlich auch mit dem Zufall zu tun, dass Diedrich gar nicht als Musikredakteur angestellt wurde, sondern den Sektor an sich gerissen hat und wer ursprünglich angestellt war, das war, glaube ich, ein unheimlich dröger Sack, mit dem das Blatt natürlich eine ganz andere Wendung genommen hätte.“
Zu diesem Thema auch Diedrichs Bruder Detlef Diederichsen, der unter dem Pseudonym Ewald Braunsteiner für SOUNDS schrieb:
Ewald Braunsteiner: „Es gab immer wieder ein neues lustiges Mobbing gegen Thomas Buttler, den armen dritten Redakteur da im Bunde, der eigentlich der Musikredakteur sein sollte, der das aber alles sehr schnell weggenommen bekam und sich auch nicht wehrte. Irgendwann stand bei ihm an der Tür ‚Der Butt“. Das weiß ich noch. Und dann hatte er ein Bob Marley-Poster und jemand hatte „Whale, Whale“ daneben geschrieben. Es gab ständig irgendwie Buttler-Mobbing. Dass der nicht lange bei der Stange geblieben ist, wundert mich nicht.“
Talking Heads: “Uh-Oh, Loves Comes To Town”
Diedrich Diederichsen etablierte bei SOUNDS eine neue Form des Musikjournalismus, der sich am englischen Popjournalismus, besonders dem des New Musical Express orientierte: Diederichsen sorgte für die vollständige Durchdringung von Pop, Politik, Mode und Film. Und die neuen musikalischen Helden hießen bei SOUNDS nun David Byrne oder Peter Hein. Es waren Rockstars eines neuen intellektuellen Typs, der mit den schwitzenden Urviechern vom Schlage eines Bruce Springsteen nicht mehr viel zu tun hatte. Wer die alte Musik noch mochte, wurde als Boring Old Fart, als langweiliger alter Furz beschimpft. Die Polemik bei SOUNDS nahm zu, der Stil wurde dabei immer akademischer und elitärer. Diedrich Diederichsen:
D.D.: „Und da gab es unglaubliche Angebereien, man muss es ja so nennen. Das, was da elitär wirkte, war ja nicht in Kenntnissen und Überblicken gegründet, sondern war ja Angeberei größtenteils. Das war ja: Sich auf eine Position stellen, von der aus man große Behauptungen in die Welt setzen konnte, die jetzt nicht entwickelt worden waren, sondern, das war um des Spaßes Willen, um des Konflikts Willen und um die Sache in Bewegung zu bringen.“
Elvis Costello: “Oliver’s Army”
Die Beiträge, die in den letzten Jahren von SOUNDS für die heftigsten Kontroversen sorgten, stammten von einem gewissen Kid P. Jörg Gülden und Alfred Hilsberg über den gefürchteten SOUNDS-Autor Kid P.:
J.G.: „Der kam auf einmal an und brachte, obwohl er überhaupt nicht so aussah, den Gout des Weltgewandten, des Dandys, so ungefähr in die Geschichte mit rein.“
A.H.: „Ob er zuhause plötzlich Anzüge trug, das weiß ich nicht. Er lief jedenfalls immer in seiner Lederjacke rum, und sah eigentlich aus, wie der Punk von um die Ecke. Ein bisschen intellektueller vielleicht und hat immer eine Plastiktüte bei sich gehabt. (...)“
Der ehemalige Punk Kid P. hieß mit bürgerlichen Namen Andreas Banaski. Für SOUNDS verfasste Kid P. stilistisch brillante Artikel im Boulevard-Stil und hielt der Musikszene mit äußerst bissigen Klatschgeschichten den Spiegel vor. Er war euphorischer Befürworter der neuen Popmusik, die aus Großbritannien kam. Popmusik, die hochkommerziell war, mit künstlichen Identitäten spielte und ein hedonistisches Lebensgefühl propagierte. Musik, die in SOUNDS bis dahin also eher verpönt war. Kid P. schrieb rauschhafte Artikel über Bands wie Soft Cell, Altered Images oder ABC. ABC, die Band um den galanten Sänger Martin Fry, besuchte Kid P. für eine SOUNDS-Coverstory 1982 in London.
A.B.: “Das traumhafte bei diesen ganzen Artikeln waren eigentlich die Spesen. Dass man von der Plattenfirma einen Flug und Hotel nach London bezahlt bekommen hatte, wo ich auf meine Kosten wahrscheinlich nicht hingefahren wäre. Und da ich damals keine 15 mehr war, gab es natürlich auch keine Illusion mehr, irgendwelche Popgötter zu treffen. Das Interview war natürlich eine totale Qual, weil Martin Fry im Prinzip keine zwei zusammenhängenden Sätze sagen konnte. Machte aber nix – dafür ist ein Autor ja da, um das etwas glättend darzustellen.“
ABC: „The Look Of Love“